#CreativeSummer 3 – Erstbetretung

Guten Morgen zu einem weiteren Tag beim CreativeSummer. Diesmal gibt es eine kleine, und eher ruhige Kurzgeschichte zum Prompt des 7. August. Ich nehme euch mit ins Weltall.

Du landest auf einem orange glitzernden Planeten, was oder wen wirst du dort finden.

Eine Aufklärungsmission sollte geschickt werden. Ein einzelnes Raumschiff, nur eine Frau an Bord. Absolute Geheimhaltung, solange man nicht wusste, was sich hinter dem mysteriösen Glitzern verbarg. Zu sehr fürchtete die Regierung die Gier der Konzerne. Auch nach so vielen Jahrhunderten hatte Glitzern seine eigene Magie und was einst die Goldsucher im Klondike waren, waren heute Minenschiffe der großen Firmenkonsortien. All das wegen eines dummen Vertrages, den ein amerikanischer Präsident im Jahr 2022 all den anderen Nationen mit Drohungen von Handelskriegen aufgezwungen hatte. Wenn kein intelligentes Leben sicher nachgewiesen war, gehörte ein Planet, Mond oder sonstiger Himmelskörper demjenigen, der zuerst erfolgreich ein Schiff dorthin schickte. Und was intelligentes Leben war, entschied, wer auch immer zuerst seinen Fuß auf den Planeten setzte. Niemand wusste genau, ob nicht im Namen des Profits schon ganze Zivilisationen ausgelöscht worden waren.
Entsprechend hatten sich einige wissenschaftlichen Institute, ein paar reiche Philanthropen und einige der Regionalregierungen der Erde zusammen getan, und hatten, heimlich, eine Vereinigung zum Schutz der Planeten gegründet. Die besten Teleskope waren dadurch nun in öffentlicher Hand, ebenso wie eine Flotte aus fünf schnellen Raumschiffen, die an der NISS, der New International Space Station angedockt waren, dem zentralen Knotenpunkt für Astrologie, Astrophysik und all den anderen Wissenschaften, die sich mit dem All befassten.
Trotzdem waren sie nicht immer die Ersten. Es kam vor, dass doch ein Konsortium den Planeten oder Mond vor ihnen entdeckte, mal durch Zufall bei einem Erkundungsflug, mal durch ihre eigenen Weltraumteleskope.
Umso mehr drängte die Zeit, das wusste Seleya Meier-Öztürk. Die drahtige junge Frau hatte bereits ihr halbes Leben im All verbracht, als eines der ersten auf einem Forschungsschiff geborenen Kinder der Menschheit. Daher war die Wahl auf sie gefallen. Gut, auch, weil sie bereits auf der NISS Dienst tat und nicht erst in den Erdorbit gebracht werden musste, das sparte Ressourcen. Und natürlich, weil sie von jeher dem Kapitalismus feindselig gegenüber stand. Nicht umsonst hatten ihre Eltern sie nach dem fiktiven Berg auf dem Planeten Vulkan benannt. Sie hatte die Philosophie und die Ideale einer alten irdischen Science Fiction-Serie sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen.
Wenn man vor kapitalistischen Firmen also ein Geheimnis bewahren und sicher sein wollte, dass die eigenen Mitarbeiter auch motiviert waren, zuerst an einem Planeten anzukommen – nun, dann war sie eine gute Wahl.
Innerhalb weniger Stunden hatte sie ihre Sachen gepackt, den üblichen Abschiedsbrief an ihre Eltern und Freunde geschrieben – man konnte im Weltall nie sicher sein, ob man von einer Mission zurück kam – und hatte die Alexandria in Betrieb genommen. Das kleine Schiff sollte sie innerhalb weniger Monate an ihr Ziel bringen.

Monate, die Seleya größtenteils im Kälteschlaf verbrachte. Einmal die Woche wurde sie automatisch geweckt, um Missionsupdates zu empfangen, einen Routinecheck der Systeme durchzuführen und zu schauen, ob irgendetwas in ihrer Nähe war, was bisher auf den Sternenkarten noch fehlte. Dann noch einmal schnell eine Sporteinheit mit Elektrostimulation der Muskeln, damit sie im All nicht an Stärke verlor, und eine kleine Mahlzeit, und schon ging es wieder ins Bett.

„Annäherungsalarm.“
Seleya rieb sich müde die Augen, die sich selbst an ihren kalten Händen noch wie Eiswürfel anfühlten. Dass der menschliche Körper so etwas wirklich überlebte, kam ihr immer noch wie ein Wunder vor, obwohl sie nicht nur die Praxis, sondern auch die Theorie von klein auf kannte.
„Computer, Alarm ausstellen und in regelmäßigen Abständen Höhe nennen.“ Nach so langer Zeit klang ihre Stimme rau und brüchig. Bevor sie zurück flog, sollte sie sich wohl besser einen Tee machen. Aber vorher gab es Wichtigeres zu tun.
„100.000 Kilometer über der Oberfläche“, kam sogleich die Antwort. Jetzt musste Seleya aufpassen. Die Annäherung samt der Landung waren zwar auch im Autopiloten eingestellt, doch hier ging am Ehesten mal etwas schief. Also kroch sie nach vorne zum Pilotensitz und sog die Luft ein. Der Anblick vor ihr war wirklich atemberaubend. Das orangene Glitzern war nicht nur ein kurzer Lichtreflex gewesen, den das Hawking-Jemison-Teleskop eingefangen hatte. Nein, die ganze Oberfläche glitzerte, wie ein Kleid auf dem viel zu viele Pailletten angenäht worden waren. Während es bei Kleidern, abseits von Varieté-Shows aber eher billig aussah, sah der Planet vor Seleyas Augen aus wie ein kleines Wunder. Ein Juwel.

„Fünfhundert Meter. Dreihundert Meter.“ Dann war die Landung geglückt und Seleya zog den Raumanzug an. Eine dünne Atmosphäre gab es hier, aber nicht genug, als dass sie hier atmen könnte. Und wer wusste schon, ob nicht unbekannte Gifte in der Luft lagen?

Sie öffnete die Luftschleuse und trat ins Freie, einen kleinen Koffer mit Instrumenten in der Hand. Also das übliche Prozedere. Bodenproben nehmen, nach Spuren intelligenten Lebens suchen, … Es war nicht das erste Mal, dass Seleya bei der Erstbetretung dabei war und sie kannte die Vorschriften auswendig. Aber es war das erste Mal, dass sie in eine Landschaft trat, in der alles orange glitzerte. Der Boden, die Steine, selbst die spärliche Flora, die aussah, als wäre sie noch in einem frühen Entwicklungsstadium.

Und dann begriff Seleya. Die Sonne dieses Systems war so weit entfernt, dass das Licht normalerweise nicht für Leben ausgereicht hätte. Nicht, wenn es sich nicht zu helfen wusste. Und tatsächlich, bei genauerem Hinsehen bemerkte sie, dass alles hier mit einer kleinen Schicht Bakterien überzogen war, die das wenige Licht der Sonne in alle Richtungen reflektierten. Wie ein dunkler Raum mit nur einer Kerze, in den Spiegel gestellt wurden, um das Licht bestmöglich auszunutzen, erhellten diese kleinen Wesen den Planeten und sorgten dafür, dass sich erste Pflanzen bilden konnten.
Der ganze Planet war ein einziges, interdependentes System, ein einziger Lebensraum in perfekter Symbiose.

Und Seleya störte diese Symbiose, indem sie Schatten warf und selbst das Sonnenlicht nicht reflektierte. Schon sah sie, wie die erste Pflanze vor ihr schlaffe Blätter bekam.

Sie musste hier weg. Jede Bodenprobe, jedes Eingreifen konnte die fragile Harmonie gefährden. Sie würde dafür sorgen, dass der Planet unter Naturschutz gestellt und nur aus der Entfernung weiter beobachtet wurde. Aber jetzt musste sie hier dringend weg.

Als sie den Planeten verließ, konnte sie nicht ahnen, dass sie das Gleichgewicht auf ewig verändert hatte. Eine sterbende Pflanze mochte harmlos erscheinen. Doch was war mit den vereinzelten irdischen Bakterien, die sie aus dem Schiff ins Freie getragen hatte? Schon begannen sie, sich auf dem Planeten fortzupflanzen und veränderten diese Welt für immer.

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