#WritingFriday – Das Buch

Jetzt bin ich schon einen Monat lang dabei beim WritingFriday von Elizzy von Read Books and Fall in Love . Diese Woche gibt es wieder eine Kurzgeschichte (naja, knapp 8.500 Zeichen, also schon in der Länge, wie man sie normalerweise für kleine Ausschreibungen einreichen kann).

Die Regeln im Überblick;

  • Jeden Freitag wird veröffentlicht
  • Wählt aus einem der vorgegeben Schreibthemen
  • Schreibt eine Geschichte / ein Gedicht / ein paar Zeilen – egal Hauptsache ihr übt euer kreatives Schreiben
  • Vergesst nicht den Hashtag #WritingFriday und den Header zu verwenden
  • Schaut unbedingt bei euren Schreibkameraden vorbei und lest euch die Geschichten durch!
  • Habt Spass und versucht voneinander zu lernen

Schreibthemen August

  • Schreibe eine Geschichte, die mit dem Satz „Luna war so verliebt aber niemand hätte damit gerechnet, dass…“ beginnt.
  • Beschreibe einen Tag im Leben einer Plastikflasche.
  • Schreibe eine Geschichte zu folgender Situation; Du betrittst einen schummrigen, alten Laden und kaufst …(Platz für eigene Idee)… dafür wirst du dann aber verfolgt.
  • Schreibe eine Danksagung an dein Bücherregal.
  • Du bist Paartherapeutin, erzähle von einer Sitzung.

Den Laden hier habe ich noch nie gesehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass hier zu meiner Schulzeit einfach nur eine Mauer war. Aber die Städte ändern sich ja so schnell, Häuser werden umgebaut oder gar abgerissen und neu aufgebaut. Da kann es sogar sein, dass ich mich richtig erinnere und hier in den letzten acht Jahren einfach nur jemand ein Geschäft samt Tür und kleinem Schaufenster eingebaut hat.

Es sieht ein wenig aus wie ein Antiquariat. Im Fenster stehen jede Menge alter Bücher in Ledereinband. Manche haben sogar noch richtige Eisenbeschläge an den Ecken.

Ich stelle mir vor, wie mir solch ein Buch auf den Fuß fällt, wie so viele meiner eigenen, verziehe das Gesicht. Deswegen mag ich Taschenbücher eigentlich lieber. Aber schön sehen so alte Bücher ja schon aus.

Wer an einer Buchhandlung vorbeigehen kann, der werfe den ersten Stein. Ich jedenfalls vermag es nicht, also drücke ich die schwere Holztür auf. Ein Windspiel klingelt im plötzlichen Luftzug. Für mich schön, als Besitzer würde mich das aber auf Dauer wahnsinnig machen.

Trotz des hellen, sonnigen Tages ist es im Laden düster, irgendwie stickig, aber zumindest kühler als draußen.

Es dauert einen Moment, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnen, dann schaue ich mich um. Eine ziemlich merkwürdige Dekoration hat der Laden. Federn, Totenschädel, getrocknete Kräuter und Bergkristalle. Gefällt mir eigentlich ganz gut, auch wenn ich so etwas eher in der Fantasyabteilung in größeren Buchhandlungen erwartet hätte. Ich gebe ja zu, heimlich ist es mein Traum, so etwas selbst aufzumachen. Aber in meinen Zaubertrankzutaten-Gläsern sollen dann bunte Süßigkeiten sein, die man auch kaufen kann.

Trotzdem, wäre die Luft nicht so muffig, wäre das hier bestimmt mein neuer Lieblingsladen, denke ich, und trete über die Fußmatte mit dem seltsamen Symbol hinweg tiefer in den Laden hinein.

Ich stromere die Regale entlang und sehe Bücher, deren Titel in fremden Sprachen in den Einband geprägt wurden. Kaum ein Buch hier scheint auf Deutsch zu sein.

In einer Ecke sitzt ein alter Mann, der ab und an lustlos von seiner Lektüre aufschaut, sich aber sonst nicht weiter um mich kümmert. Er trägt recht altmodische Sachen. Weste mit Taschenuhrenkette, ein Einstecktuch im Jackett und eine Fliege um den Hals. Dass ihm das nicht zu warm ist, begreife ich nicht, aber bitte. Jeder wie er mag. Und da er mich nicht wirklich beachtet, nimmt ihm das auch den Hauch des Grusligen, der ihn sonst vielleicht in einer Umgebung wie dieser umgeben würde.

Ich richte meine Aufmerksamkeit lieber wieder auf die Auslagen. Eigentlich glaube ich nicht mehr, dass ich hier irgendwas finden kann, was mich auch nur halbwegs interessiert. Und doch hält mich etwas davon ab, schon wieder zu gehen.

Also schaue ich neugierig weiter. Ich sehe etwas, was wie getrocknete Echsenhaut aussieht. Es umspannt ein Buch, auf dem außen kein Titel angegeben ist. Ich zucke zurück. Ohne, dass ich wüsste, warum, läuft mir bei diesem Buch ein kalter Schauer den Rücken hinab. Es liegt nicht an der Echsenhaut selbst, so etwas habe ich in der Schule schon öfter berührt, am lebenden Tier wie auch tot. Aber ein Buch in sowas eingebunden?

Schnell tragen mich meine Füße weiter, scheinbar ziellos, an einer Kristallkugel vorbei, über die knarzenden Holzdielen in eine schummrige Ecke hinein. Hier steht eine offene Vitrine mit Amethysten, Drachenstatuetten und einem einzelnen Buch. Kunstvolle Metallverzierungen sind fast über den gesamten Einband verteilt. Und darin glitzert es farbenfroh. Ich nehme an, dass das Glassteine sind, denn ein kleines Preisschildchen, Handschrift auf weißem Papier, weist 10 Euro als Preis des Buches aus. Dann können das nie und nimmer Edelsteine sein.

Etwas an dem Buch fasziniert mich so sehr, dass ich es zur Hand nehme und in Richtung des lesenden Mannes gehe, ohne auch nur auf den Titel zu schauen. Wortlos lege ich einen Zehner auf den Tisch und verlasse den Laden, ohne dass er auch nur aufgeschaut hätte.

Kaum gehe ich über die Fußmatte und hinaus in die frische Luft, habe ich das merkwürdige Gefühl, dass mich jemand beobachtet. Das ist nichts ungewöhnliches, jeder Mensch, der seinen Fotoapparat in meine Richtung hält, macht mich schon nervös, selbst wenn er nur eine Touristenattraktion fotografieren will und ich sogar nur im Weg bin. Also ignoriere ich das ungute Gefühl und mache mich durch die Hitze hindurch auf den Weg zur Bushaltestelle. Mir ist, als würde ich Schritte hinter mir hören. Aber die ganze Stadt ist voller Menschen, also ist das nicht ungewöhnlich, oder? Dennoch lässt sich das Gefühl nun nicht mehr abschütteln und ich beschleunige. Plötzlich werde ich am Rucksack von hinten in eine schmale Seitengasse gezogen. Da die Kneipen hier erst abends aufmachen, ist keiner da, der mir zu Hilfe kommen könnte.

Jemand drückt mich mit dem Gesicht an eine staubige Steinwand. Ich dreh den Kopf etwas, um den Dreck nicht an meinen Lippen zu haben oder direkt einzuatmen, während ich versuche, nach hinten auszutreten. Gar nicht so leicht. Aber gerade, als mir eine Hand das Buch entreißen will, dass ich noch immer unterm Arm trage, treffe ich etwas. Ob das nun Schienbein oder Weichteile sind, kann ich mich schon im nächsten Moment nicht erinnern, dem Aufschrei nach hat es aber immerhin weh getan.

“Gib … mir das Buch”, keucht eine Stimme etwas gepresst hinter mir. Ich drehe mich um und seh einen vermummten Mann am Boden liegen. Also doch die Weichteile, sehr schön.

Ich nehme meinen Neuerwerb in beide Hände und blätter demonstrativ darin, will wissen, was denn daran so toll ist, dass man für zehn Euro eine Straftat begeht. Denn nichts anderes ist das hier doch.

“Wieso denn? Was soll denn so besonders sein, an …” Ich kneife die Augen zusammen, aber die Worte ergeben auch so keinen Sinn. Dennoch versuche ich es:
“nu vuill ih bidan den rihchan crist
the mannelihches che[n]ist
ther den divvel gibant-”

“Neeeeiiiiin”, ruft der Mann und versucht, sich aufzurappeln.

Ich lese weiter, gehe dabei aber immer weiter rückwärts von ihm weg. Wenn er nicht will, dass ich das lese, heißt das schließlich, dass ich weitermachen sollte, oder? Hoffen wir, dass meine Logik halbwegs funktioniert.
“I[n] sinen namon uuill ih gan
nu vuil ih then ureidon
slahan mit ten colbon.”

Wie aus dem Nichts erscheint mitten in der Luft ein Knüppel und schlägt dem Mann auf den Kopf, so dass dieser zu Boden sackt.

Jetzt bekomme ich es doch mit der Angst zu tun. Na gut, noch mehr als eben schon. Habe ich den Kerl umgebracht? Ich taste vorsichtig nach seinem Hals. Nein, da ist noch Puls da. Sehr gut. Also suche ich mein Handy heraus und rufe einen Rettungswagen.

Die nächsten Stunden vergehen wie in einer Trance. Ich muss den Polizisten erzählen, dass ich mich nur gewehrt habe. Die blauen Flecken und der Dreck im Gesicht sprechen deutlich für meine Aussage, dass der Mann mich gegen die Mauer gedrückt hat. Man muss wohl ermitteln, aber gerade sehe es danach aus, als hätte ich nur in Notwehr gehandelt. Woher die Beule am Hinterkopf des Mannes nun genau stamme, könne man aber nicht abschließend sagen. Ich ja auch nicht. Ich behaupte nur, ihn von mir geschubst zu haben und weggelaufen zu sein. Erst, als ich seinen Aufschlag gehört habe, sei ich zurückgekommen, um ihn nicht so liegen zu lassen.

Es ist erstaunlich, wie leicht man mir glaubt. Aber das wollte ich ja auch wirklich nicht. Es macht mir keine Freude, Leute ins Krankenhaus zu bringen, nicht mal die, die mich angreifen.

Endlich darf ich gehen und gerade ist mir mein Konto sowas von egal. Ich will nicht mehr mit dem Bus fahren, mit lauter Menschen, die mich nach meiner intimen Bekanntschaft mit der Wand auch noch dumm anstarren. Also gehe ich zum nächsten Taxistand. Dort steht ein Mann in Weste, Jackett und Fliege und drückt mir einen Zettel in die Hand. “Mal das Symbol auf deinen Hauseingang, dann bist du sicher. Und kümmere dich gut um das Buch. Es öffnet sich selten jemandem.” Damit ist er weg, schneller, als dass er hätte einfach fortgehen können.

“Wat is nu? Willste fahren, oder nich?”, reißt mich kurz darauf eine Stimme aus meiner Starre. Der Taxifahrer schaut mich durchs Beifahrerfenster fragend an.

Ich nicke, öffne die Tür, setze mich und nenne meine Adresse. Zuhause angekommen, nehme ich die erstbeste wetterfeste Farbe, die ich finden kann, und male an jede Tür und jedes Fenster das Symbol vom Zettel. Dann verstecke ich das Buch. Darum kümmere ich mich später. Gerade will ich einfach nur noch eine Dusche, und dann ab ins Bett.

 


Credits für den Zauberspruch an: http://www.galdorcraeft.de/, Übersetzung, ebenfalls von dieser Seite:

Jetzt will ich bitten den mächtigen Christus,
der jedes Menschen Rettung ist,
der den Teufel in Fesseln schlug.
In seinem Namen will ich gehen.
Jetzt will ich den Abtrünnigen
erschlagen mit dem Knüppel.

2 thoughts on “#WritingFriday – Das Buch

  1. Hey Britta,
    spannende Geschichte. Man wusste an keinem Punkt wie es weiter geht. Ich musste auch ein paar Mal schmunzeln, vor allem beim Zauberspruch. Das es ihn wirklich „gibt“ ist ein tolles Detail.
    Grüße, Katharina.

  2. Ah, da ist er ja, der Beitrag von letzter Woche! Als ich vorbeigeschaut hatte, konnte ich ihn nicht finden…

    Die Geschichte ist dir sehr gut gelungen! Ich habe ganz gespannt gelesen und wollte sehr gerne wissen, wie es weiter geht. Dein Schreibstil in der Geschichte gefällt mir. Nicht zu verspielt und verschnörkelt aber dennoch gut erzählend.

    Letzte Woche war bei mir die PLASTIKFLASCHE drank. Ich hab ein kleines Gedicht geschrieben.
    GlG, monerl

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert