#WritingFriday – Fliegen

Auch heute möchte ich wieder beim WritingFriday von Elizzy von Read Books and Fall in Love mitmachen. Erneut mit einer kleinen Kurzgeschichte – die vielleicht ausgebaut werden könnte.

Die Regeln im Überblick;

  • Jeden Freitag wird veröffentlicht
  • Wählt aus einem der vorgegeben Schreibthemen
  • Schreibt eine Geschichte / ein Gedicht / ein paar Zeilen – egal Hauptsache ihr übt euer kreatives Schreiben
  • Vergesst nicht den Hashtag #WritingFriday und den Header zu verwenden
  • Schaut unbedingt bei euren Schreibkameraden vorbei und lest euch die Geschichten durch!
  • Habt Spass und versucht voneinander zu lernen

Schreibthemen Juli

  • Dein Schreibtisch erzählt aus seinem Alltag.
  • Schreibe eine Story, bei der folgende Wörter irgendwo darin auftauchen:
    Sonnenschein / ungeduldig / Kunststück / Raupe / Sommergewitter
  • Erstelle eine Pro und Contra Liste zum Thema;
    im Buchladen einkaufen vs. Bücher in Bibliothek ausleihen
    welche Seite gewinnt?
  • Du hast die Möglichkeit für einen Tag ins Weltall zu fliegen oder 300 Jahre in die Zukunft zu reisen. Welche Wahl triffst du? + Erzähle wieso du dich so entschieden hast.
  • Schreibe eine Geschichte, die mit dem Satz „Er konnte tatsächlich fliegen!“ endet.

Die Sonne geht auf, wenn eine geliebte Person den Raum betritt, heißt es. Oder, dass diese Person heller strahlt als die Sonne.

Ryx seufzte leise und richtete sich die Robe. Er kannte das Gefühl noch nicht. Und nicht nur das. Er war jetzt auch schon 200 Monde alt und noch immer konnte er nicht fliegen. Als Sohn des Ältesten. Welch eine Schmach.

Alle seine Altersgenossen, die mit in der Burg lebten, Söhne und Töchter von wichtigen Familien des Stammes, hatten sich sogar schon vermählt, und er hatte noch nicht einmal die eine Person gefunden, die ihn das Fliegen lehrte.

Es hieß, wenn ein Bryrp jemanden traf, den er lieben konnte, lernte er fliegen. Nein, das hieß es nicht nur, das hatte er schon oft mit ansehen müssen. Manche nutzten das Wort Seelenverwandte für diese Verbindung, aber wenn man bedachte, wie viele sich wieder zerstritten, kam es Ryx doch übertrieben vor. Aber selbst ein Partner, den man vielleicht nur für eine bestimmte Zeit liebte, war mehr, als er selbst aufweisen konnte. Und wer nicht fliegen konnte, hatte im Stamm keine Funktion. War nicht mehr als ein Kind.

Das war der Grund, warum sein Vater beschlossen hatte, zur Feier seines 200. Mondes alle Töchter der Ältesten und hoher Familien anderer Stämme einzuladen. Und Söhne gleich mit dazu, man konnte ja nie wissen.

Ryx glaubte ja, dass sein Vater in Wirklichkeit noch andere Gründe hatte. Der brüchige Frieden zwischen den Stämmen würde viel länger halten, wenn es familiäre Beziehungen zwischen ihnen gab. Und selbst wenn doch wieder Krieg ausbrechen würde, hätte man so zumindest einen Verbündeten an seiner Seite, was mehr war, als die anderen Stämme aufweisen konnten.

Ihm selbst war das egal. Welchen Plan sein Vater auch immer verfolgte, er selbst konnte nur davon profitieren. Ryx war es leid, zu fuß zur Schule gehen zu müssen, noch immer kein Soldatentraining machen zu dürfen. Er wurde wie ein Unmündiger behandelt, nur, weil er noch nicht fliegen konnte. Ihm war egal, wie das aufhörte. Wie viele Leute ihren eigenen Nutzen daraus ziehen mochten. Wichtig war nur, dass sein eigener Stamm ihn endlich mit Respekt behandelte. Und, dass dann da jemand war, mit dem er reden konnte.

Er warf einen letzten Blick in den Spiegel. Die Uniform sah lächerlich an ihm aus, das wusste er selbst. Er war noch nicht im Training, er konnte nicht fliegen, er verdiente keine Uniform. Aber das war eben die Tradition für Kinder des Ältesten. Sie mussten ihre Rolle auch auf der Haut zeigen. Also musste er diesen Anblick heute ertragen. Oder vielmehr die Anderen.

Er wandte sich vom Spiegel ab und schritt auf die Tür zu, die ihm von Dienern geöffnet wurde. Dann ging er die Treppe hinunter zum Ballsaal, wo er darauf wartete, angekündigt zu werden. Es war nicht das erste Mal in seinem Leben und es würde auch nicht das letzte Mal sein, dass er in einen Saal trat, in dem alle auf ihn warteten und ihn anstarrten.

Sein Blick glitt über dutzende Frauen in Abendkleidern und ähnlich viele Männer in Uniformen aller existierenden Stämme. Dazwischen wuselten Bedienstete in einfacher Kleidung hindurch, servierten Häppchen und schenkten Wein aus. Er hatte das Gefühl, unter den Blicken zu schrumpfen, als würden sie ihn erdrücken. All die Gesichter dort waren nur seinetwegen hier. Und so sehr er auch diesen Tag herbeigesehnt hatte, machte ihm das nun doch Angst. War der Kragen der Uniform schon immer so eng gewesen? War es Absicht, dass man darin kaum Luft bekam?

Endlich setzte die Musik ein und die Menge zerstreute sich etwas, betrachtete Ryx nicht mehr so eindringlich. Schenkte ihm kaum noch Beachtung.

Auch er würde gleich dort hinunter auf das Parkett gehen müssen. Seine Aufgabe war es, mit jedem dieser Erben zu sprechen oder zu tanzen, um herauszufinden, ob die Chemie zwischen ihnen stimmte. Ob er fliegen würde.

Aber einen Moment lang setzte er sich noch auf seinen kleinen Thron, der neben denen seiner Eltern stand. Etwas verloren, genauso, wie er sich jetzt fühlte.

Ryx beobachtete, wie all diese Erben sich miteinander amüsierten. Sah, wie manche von ihnen plötzlich begannen, über den anderen zu schweben. Für sie war der Abend schon ein voller Erfolg, wie es schien. Vielleicht würden sie ebenso Bündnisse schließen und den Plan vereiteln, den Ryx‘ Vater für diesen Abend und die Zukunft seines Sohnes geschmiedet hatte. Aber Ryx selbst war das gleich. Irgendwo dort unten würde schon auch jemand für ihn sein. Denn wenn nicht, was blieb ihm dann noch? Dann würde er seinen Thron verlieren, sein Ansehen. Dann gäbe es niemanden für ihn und er wäre verdammt, auf ewig alleine zu leben. Der Gedanke machte ihn nervös und er beschloss, seinen Gang nach unten noch etwas länger hinauszuzögern. Nur, um noch einen weiteren Moment nicht gescheitert zu sein.

Er wandte sich einer Bediensteten zu, die gerade am Thron vorbei in die Küche laufen wollte: „Könnte ich auch ein Glas Wein bekommen?“ Vielleicht half es ja, sich Mut anzutrinken.

„Sehr wohl“, antwortete die junge Frau und wollte gerade einen Knicks machen, da war der Boden unter ihren Füßen plötzlich verschwunden.

Die Sonne geht auf, wenn eine geliebte Person den Raum betritt, heißt es. Ryx hingegen fühlte sich nicht gewärmt oder erleuchtet. Er fühlte sich eher betäubt. Er riss die Augen auf und sah ihr zu. Dann erst blickte er an sich hinab. Sein Thron war plötzlich in weiter Ferne unter ihm. Jetzt erst dämmerte ihm, was geschehen war. Dass er verstoßen werden würde. Eine Bedienstete, eine Unwürdige. Aber für den einen Moment war ihm das egal. Langsam setzte bei ihm eher Erleichterung ein. Er konnte tatsächlich fliegen!

2 thoughts on “#WritingFriday – Fliegen

  1. Mensch, wie kann es sein, dass ich so viele deiner Beiträge verpasst habe? Ich sagte ja bereits, ich finde mich hier bei dir nicht zurecht. Heute waren sie irgendwie alle beieinander, die Writing Friday – Beiträge.

    Eine wundervolle Geschichte! Ich möchte so gerne weiter lesen! Hast du es schon geschrieben? hihi
    Das mit dem Fliegen und dem falschen verlieben, wie in Aschenputtel, und doch genauso herzlich!

    GlG, monerl

  2. Huhu Monerl,

    vielen vielen Dank für die lieben (und vielen) Kommentare.

    Ich überlege noch, ob ich weiterschreibe. Nur artet es bei mir dann immer gleich in Romanprojekte aus und da hab ich schon so viele. Aber wollen würd ich schon.

    LG

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