Wie angekündigt kommt die Kurzgeschichte in diesem Monat etwas später – was schlicht daran liegt, dass erst heute der Tag der Feen ist.
Tags: Dystopie (oder eigentlich eher Realität), Solarpunk, Fantasy
CN: Keine
Die Erde sah so verändert aus. So viel sattes Grün hatte sie wohl schon lange nicht mehr getragen. Oh, es gab auch Wüsten, denn auch sie waren Lebensraum für speziell daran angepasste Arten, sie wurden ganz gezielt erhalten. Aber sie hatten sich nicht nur nicht weiter ausgebreitet, sondern auch Gebiete wieder freigegeben, die sie einst erobert hatten.
Beim Reinzoomen konnte man sehen, wie anstatt großen Containerschiffen Meermenschen die Waren transportierten, schneller, als jedes Boot das könnte. Und wo sie Hilfe brauchten, standen ihnen Wale, Delfine, Robben und all die anderen Meereslebewesen zur Seite.
An Land wiederum sah man neben den Städten der Menschen die weiten Baumhausdörfer der Dryaden, Nymphen, Feen und anderer Naturgeister.
Und, wenn man noch genauer hinschaute, konnte man sehen, wie einige von ihnen mit seligem Lächeln über die Felder Schritten und die Getreide und Gemüse dazu brachten, viel schneller zu wachsen, als es ohne diese Hilfe möglich wäre. Dass die Solarpanels, die, im Feld verankert, hoch über ihren Köpfen standen, und die Pflanzen vor Sonnenbrand schützen, aber nicht gänzlich abschatteten, kam ihnen da zu Gute.
Flussgeister wiederum lenkten in sanften Schwingungen ihrer Heimat und vorsichtigen, schnell versickernden Überschwemmungen das Wasser dorthin, wo hungrige Wurzeln es suchten. Und nur zu gerne ließen sie ihr Wasser auf den vielen kleinen Mühlen im Flusslauf spielen, hielten gleichzeitig die Fische davon ab, sich daran zu verletzen.
Auch im Wind konnte man, bei genauerem Hinsehen, Gesichter erkennen. Luftelementare sorgten dafür, dass Wolken stetig wanderten, vor allem dorthin, wo sie gebraucht wurden. Gezielt holten sie Regen aus dem Meer und schickten ihn an Land, auf dass kein Wasser je verloren war und immer genug wieder dem Kreislauf hinzugefügt wurde. Und sie streunten über das Land, sorgten mit sanftem Wind für Abkühlung, und machten die Pflänzchen stark und widerstandsfähig, immer auf der Suche nach neuen, bunt bemalten Windrädern, deren Kunst sie genossen und im Austausch gern antrieben. Sanft strichen sie dabei auch über die Blätter des Weins, der Bohnen und all der anderen Rankpflanzen, die die Füße der Windräder umschmiegten.
Zwischen all dem ragten die Menschenstädte auf. Ihrerseits grün, noch verstärkt durch die Feen und Nymphen, die lieber unter Menschen lebten, Kino und Theater, menschliche Küche und Musik genossen und dafür die Fassaden und Dächer begrünten, die Parks pflegten und den Menschen halfen, auf den großen und kleinen Plätzen kommunale Beete zu bestellen.
Elektroautos fuhren munter und in Scharen durch und zwischen diesen Städten. Kleine Drohnen brachten den Menschen – aber auch den Flussgeistern, Dryaden, Feen und all den anderen – das, was sie im Internet bestellt hatten. Sie alle bewegten sich durch klare Luft – nicht verpestet von Abgasen, die längst unnötig geworden waren, seit genug Strom für jeden Bedarf zur Verfügung stand, sauber und im Einklang mit der Natur erzeugt.
Und noch etwas fällt auf, wenn man wieder herauszoomt, die sich drehende Erde mit genug Abstand betrachtet: Nirgendwo sieht man Vernichtung. Weder bekriegen sich die Menschen untereinander, noch greifen die verschiedenen Spezies einander an. Warum auch, wenn das System dafür sorgt, dass niemand um Nahrung, Wasser, Heim oder Freiheit bangen muss? Wenn selbst Religionen sich nicht mehr darum streiten müssen, wer denn dereinst in den potenziellen Garten Eden einziehen wird – weil der Garten schon auf Erden erschaffen wurde?
Mit einem Seufzen wendest du dich von diesem Spiegel ab, der nun wieder nur deine Reflexion zeigt. „Was bringt es, mir das zu zeigen? Das ist doch nur Fiktion.“
Der Wächter des Spiegels kräuselt seine Nase leicht, schaut dich missbilligend an. „Nein, dies ist ein Fenster in andere, parallele Universen. Du sahst das Universum, in dem Menschen die Feen, Nymphen und all die anderen Wesen nicht bekriegt und letztlich ins Reich der Fantasie verbannt haben. In dem sich die Wesen einander stattdessen die Hände gereicht haben. Diese Welt, genauso wie du sie sahst, hätte die eure sein können.“
Du bleibst einen Moment still, hängst deinen Gedanken nach und verarbeitest langsam das Gesehene. „Gibt es für meine Erde noch Hoffnung?“, fragst du.
„Das liegt ganz allein an euch Menschen. Das Reich der Fantasie ist verschlossen, und selbst, wenn ihr die Tür findet, gäbe es zu viele alte Wunden, die geheilt werden müssen, um diesen Planeten noch rechtzeitig zu retten. Aber ihr selbst, ihr könnt euer eigenes Schicksal vielleicht noch in die Hand nehmen.“
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One thought on “[Kurzgeschichte] Durch den Spiegel”
[…] Geschichte für diesen Monat hatte ich leider schon im Mai geschrieben – und für den Juli bin ich noch völlig plan- und […]
Juni 2023 – Britta Redweik