Herzlich Willkommen beim Blogvent am 20. Dezember. Das heutige Thema lautet Tradition und so habe ich eine Kurzgeschichte für euch, wie selbst aus den schlimmsten Zeiten die schönsten Traditionen erwachsen können. (Ja, vielleicht ist das auch ein bisschen inspiriert von den Gilmore Girls. Ich will auch so viele Stadtfeste wie in Stars Hollow.)
Die anderen Beiträge des heutigen, aber auch der anderen Tage findet ihr hier, bei Lexa, die diese Aktion ins Leben gerufen hat.
Der Regen wurde schlimmer. Immer stärker prasselte er auf die Stadt hinab. Zuerst standen die Pfützen nur in den niedrigen Gassen, konnten nicht mehr abfließen, weil die Gullys längst vollgelaufen waren. Doch bald füllte das Wasser auch die höher gelegenen Straßen, als zentimetertiefe, zusammenhängende Überflutung. Doch nun war es längst zu spät, um noch zu evakuieren.
Die Leute schauten sich verzweifelt um. Liefen von einem Fenster zum anderen und leuchteten mit ihren Taschenlampen in die Dunkelheit, um die Situation halbwegs erfassen zu können. Viele Häuser ächzten schon unter den Wassermassen. Doch wo sollten sie hin? Und viel wichtiger: Wie sollten sie noch dort hinkommen, jetzt, wo das Wasser selbst den Autos schon bis zu den Scheinwerfern stand?
Selbst, wenn die Wassermassen keinerlei Strömung unterliegen würden, so waren sie jetzt, im tiefsten Dezember, zu kalt. Niemand hätte lange darin schwimmen können, ohne dieser Kälte zu erliegen.
Schließlich kamen einige der Bewohner auf eine Idee. Sie packten alles Nötige in Taschen und kletterten auf ihre Dächer. So dicht an dicht, wie die Häuser hier aus Platzmangel oft gebaut waren, reichte ein einzelnes Holzbrett, ob von einem Schrank oder anderweitig vorrätig, oft schon aus, um Brücken zwischen den Häusern entstehen zu lassen. Auch Leitern wurden mehr und mehr auf die Dächer getragen und dort, wo die Abstände doch zu groß waren, warf man sich Seile zu, um so die Lücken überqueren zu können.
Nach und nach pilgerte die ganze Stadt so über die Dächer hinweg zu dem einen Gebäude, das noch immer im Trockenen stand. Hoch auf einem Hügel stand die alte Villa. Niemand wusste mehr, wem sie einst gehörte. Ihre Fenster waren schon seit Generationen vernagelt und ihre Wände von Efeu überrankt. Und doch war ihr Dach auch nach all den Jahren noch dicht.
Dort fanden die Leute in dieser Nacht Zuflucht. Das alte Haus füllte sich schnell mit Schlafsäcken, Isomatten und spielenden Kindern. Im Schein der mitgebrachten Kerzen und Taschenlampen und der nun entfachten Kaminfeuer wirkte auch die Kälte der kaputten Fenster und des Winters draußen nicht mehr so schlimm.
Sie alle kamen zusammen und sangen, redeten und teilten die mitgebrachten Speisen. So wurde das vielleicht schlimmste Weihnachtsfest in der Geschichte der Stadt zum Schönsten und auch, wenn nie mehr ein solches Unwetter an Weihnachten über sie ziehen sollte, begründeten sie doch eine jährliche Tradition der Zusammenkunft in der alten Villa. Jedes Jahr pilgerten sie wieder hoch auf den Hügel, nahmen nur mit, was ohne Strom oder mit Akkus lief. Jeder brachte etwas zu essen, Spiele und Bücher mit und die ganze Stadt kam zusammen, um eine Nacht in der Villa zu verbringen. Um sich daran zu erinnern, dass Zusammenhalt und Gemeinschaft das war, was Weihnachten ausmachte.
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