Das Plüschtier der (aufgerundet) tausend Abenteuer – 10

Du kommst von hier

Du machst dir ein Hörbuch an, und da du gerade alleine bist, vielleicht mal von Plüschtieren, Dekofiguren und Zimmerpflanzen abgesehen, nutzt du dafür nicht Handy oder MP3-Player, sondern lieber richtige Lautsprecher. Schon bald hallt eine klare Stimme durch den Raum und dein ganzes Zuhause. Eine Stimme, die deine Fantasie mit auf ein Abenteuer nimmt. 

So geht dir die Arbeit schnell von der Hand und als du abends müde ins Bett fällst, hast du das ganze Hörbuch beendet, so sehr hat es dich in deinen Bann gezogen. 

Etwas weckt dich. Eine Berührung am Handrücken. Schläfrig wischst du deine Hand nur an der Bettdecke ab. Sicher war das nur eine Mücke, die dich stechen wollte. Doch dann fühlst du wieder etwas. Nicht etwa kleine Beinchen, die auf dir herumtrippeln. Was eigentlich eine Erleichterung sein sollte, lässt dich aber aufschrecken: Da ist etwas Größeres an deiner Hand. 

Du tastest nach dem Licht und siehst den Teddy neben dir. Seine Pfote ist ausgestreckt. Sie muss es gewesen sein. Diese Pfote hast du gerade an der Hand gespürt. Aber wie ist das möglich? 

“Kommst du jetzt endlich?”, fragt der Teddy und greift erneut nach deiner Hand. “Das Abenteuer wartet schon.”  

Eh du dich versiehst, bist du nicht mehr in deinem Bett, sondern mitten in einem Wald. Vor dir liegt eine Kreuzung, von der eine Vielzahl an Wegen abzweigt. Alle schmal, mal mehr, mal weniger sonnig, steinig oder zugewachsen. Ein Wegweiser steht in der Mitte und Pfeile deuten in die verschiedenen Richtungen der Wege. 

“Wunderland”, liest du, und: “Entenhausen, Narnia, Mittelerde, Scheibenwelt, Menschenwelt?” 

Der Teddy schnaubt. “Ja, Menschenwelt. Da kommen noch mehr Kreuzungen, keine Sorge. Ist ja nicht so, als würdest du Faust in derselben Straße finden, wie Professor Weissinger oder Doktor Jekyll. Kommen ja aus verschiedenen Romanen. Aber keiner von ihnen aus einer völlig anderen Welt.” Das Plüschtier wirkt, als wäre das nicht das erste Mal, dass es all das erklären würde. “Also los, wähl schon. Wir können hier nicht ewig herumstehen. Also, können wir schon, aber … Nach dem Hörbuch vorhin dachte ich schon, dass dir doch eher nach etwas Anderem ist. Nach Abenteuer?” 

Als du aufwachst, sitzt der Teddy wieder genau da, wo du ihn hingestellt hattest. Sicher war das nur ein Traum, dass du mit einem Plüschtier durch gleich mehrere fiktionale Welten gereist bist. Dass du deine Lieblingsfiguren getroffen und mit ihnen etwas trinken gegangen bist. Aber warum liegt dann ein leichter Geruch von Kaffee auf deiner Haut, wenn nicht vom Café, im dem du letzte Nacht warst? Du kannst es dir nicht erklären. Aber vielleicht musst du das auch nicht, zumindest nicht jetzt. Erst einmal abwarten. Vielleicht kannst du nächste Nacht ja wieder reisen – und findest einen Weg, sicherzustellen, ob du nun träumst oder nicht. Ja. Das ist eine gute Idee. 

Und mit der Vorfreude auf die nächste Nacht startest du erst einmal in deinen Morgen. 

 

ENDE