Die folgende Geschichte stammt nicht nur, wie man vielleicht merkt, aus einem Adventskalender, den ich 2020 oder 2021 geschrieben habe. (Ja, diesen Monat gibt es keine neue Geschichte, nur eine, die die meisten von euch noch nicht kennen.) Sie wurde auch ein klein wenig von Pratchett inspiriert, vielleicht. In Ansätzen.
(Und ein klein wenig war sie damals meine Art, mit dem ständigen Hunger umzugehen, den ich besonders in den dunklen Monaten habe.)
CN: Essen, Essstörung (eventuell), Mord, Tod durch Gegessenwerden
Als sie die Kühlschranktür wieder schloss und den Kuchen ins Wohnzimmer balancierte, wusste sie, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Oh, ihr Gewicht war nicht weiter problematisch. Hier und da hatte sie vielleicht ein kleines Pölsterchen, aber nichts davon machte ihr gesundheitliche Probleme, also interessierte sie das nicht weiter. Nein, das, was sie so nervte, war, dass sie mitten in der Nacht mit Heißhunger aufwachte. Und immer, wirklich immer, wenn sie gerade einen schönen Traum hatte. Heute Nacht zum Beispiel war sie gerade kurz davor gewesen, in die Rakete zu steigen Sie hatte die erste Person auf dem Mars werden sollen. Und dann? Dann war sie plötzlich aufgewacht und hatte den halben Kühlschrank geleert. Ausgerechnet. Dabei mochte sie doch Science-Fiction so gerne. Und sie träumte so selten mal was Vernünftiges – eigentlich immer nur dann, wenn sie vom Hunger geweckt wurde.
Das musste enden. Für andere mochte sowas zwar keine wirkliche Belastung sein, aber sie brauchte ihren Schlaf. Sie brauchte die Fähigkeit, tagsüber konzentriert arbeiten zu können, ohne beim kleinsten Gedanken an Essen, beim kleinsten Geruch der Snacks ihrer Kolleg*innen gleich zum sabbernden Monster zu mutieren und nichts mehr auf die Reihe zu kriegen, bis sie Nahrung bekommen hatte.
Sie brauchte eine Veränderung!
Also nahm sie sich an diesem Morgen frei und ging in den Tempel. Oh, nicht in einen beliebigen. Sie ging natürlich in den des Gottes des Heißhungers. Vorbei am Tempel der Göttin der Taschenlampen, vorbei am Schrein der geschlechtslosen Gottheit der Plüschtiere – oh, hier sollte sie vielleicht auch mal wieder hin, ihr Teddy schaute schon wieder so komisch – und durch die wurstkettenförmige Pforte, hin zum Altar, der wie ein Cupcake aussah.
“Oh, Gott des Heißhungers”, fing sie an und legte einen Müsliriegel als Opfer auf den Altar.
“Ja, bitte?”
Und da stand er und biss lässig von ihrem Müsliriegel ab. Die Statue hinter dem Altar war lebendig geworden. Nicht gerade eine Seltenheit, auch Gottheiten wurde von Zeit zu Zeit langweilig. Aber ihr selbst war das noch nie geschehen.
Sie betrachtete die Gottheit skeptisch. Was hatte der Bildhauer sich nur dabei gedacht, dass er den Gott des Heißhungers als Lebkuchenmännchen gestaltet hatte? So richtig stilecht mit Zuckerverzierung und Gummidropsknöpfen. Er roch sogar nach Lebkuchen.
“Ich … wollte dich bitten, mich mit Heißhungerattacken zu …“ Sie hielt inne. Schnüffelte noch einmal. Oh nein. Nicht schon wieder. Ihr Magen knurrte.
Von diesem Tag an hatte sie keine Heißhungerattacken mehr. Und auch der Medientrubel um die verschwundene Statue im Tempel des Gottes des Heißhungers legte sich bald wieder. Bald schon geriet er in Vergessenheit und zwei Jahre später war ein Restaurant in das Gebäude eingezogen. Natürlich hatten sie sich auf Würstchen spezialisiert – und zum Nachtisch gab es die besten Cupcakes der Stadt. So passte wenigstens die Deko.
Damit wünsche ich euch einen fröhlichen US-Tag des Lebkuchen-Plätzchens. *hust*
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One thought on “[Kurzgeschichte] Der Gott des Heißhungers”
[…] ging übrigens kein Wort in die diesmonatige Kurzgeschichte. Weil mir zu den Aktionstagen im November nichts Neues eingefallen ist, habe ich eine Geschichte […]
November 2023 – Britta Redweik